Offene Beziehung!

Offene Beziehung! – Kolumne für das Street Magazine Ausgabe 01-2018

Offene Beziehung!

Das Automobil als Statussymbol und Ausdruck der eigenen Persönlichkeit hat ausgedient? Abenteuer und Roadtrips laufen heute über Google Earth und Billigflieger? Die Kids stehen auf Smart Phones und Car Sharing? Alles Blödsinn.

Hat schon mal jemand erfolgreich ein erstes Date im Smart to Go klar gemacht? Oder jemanden nachhaltig damit beeindruckt, durchs instagramte Fake-Leben zu wischen? Die Evolution hat schon immer die Starken, die Vorlauten und die Extrovertierten bevorzugt, die im echten Leben was Fettes am Start haben. Leider läuft dieses Balzverhalten mittlerweile mit zweifelhaften Objekten. Durch geschickt manipulierte Werbemaßnahmen glaubt der völlig irregeleitete Konsument, er müsse ganz stylo mit dem Plastik-SUV aufs Gewinde hauen. Natürlich matt foliert und mit Klappenauspuff, damit auch jeder Fußgänger in der City weiß, wer hier den Dicksten hat. Irgendwie haben diese selbsternannten Alphatiere nicht mitbekommen, dass das Image ihrer Leasing-Gurken mittlerweile noch tiefer liegt als der Eimer selbst.

Hat schon mal jemand erfolgreich ein erstes Date im Smart to Go klar gemacht?

Wer also lieber mit Stil zum Angeber mutieren möchte, greift am besten ins oberste Regal amerikanischer Automobilhersteller. Die haben für solche Ambitionen seit Jahrzehnten ihre Fullsize-Modelle im Programm. Chrom, Luxus und Hubraum heißt die Währung, mit der man sich überall Anerkennung verschaffen kann. Wem das immer noch zu mickrig ist, kreuzt im Farbprospekt „Convertible“ an. Die Königsklasse der Angeberautos ist nämlich offen, und zwar so richtig. Zwei Tonnen Stahl und mindestens sechs Meter Penisverlängerung offenbaren ohne Überrollbügel und Pussy-Windschott endlich auch das Wichtigste an diesem Fetisch: Den extrovertierten Besitzer selbst. Der Poser lümmelt sich dann mit Schlangenlederstiefeln und Flammenhemd über der Cola-Wampe ins elektrisch verstellbare Kunstledersofa. Mit dem Dach runter und dem tätowierten Unterarm raus cruist er dann auf der Hauptstraße seiner Vorstadt so lange hin und her, bis die aufgebrezelte Dorfschönheit einsteigt, oder, viel wahrscheinlicher, bis der Tank leer ist. Wozu dieser Blödsinn? Weil der Benzinmensch nun mal so ist, und weil etwas Angeberei mit einem offenen V8 den langweiligen Individualverkehr kräftig auflockert. Also, posen statt posten!

Text: Helge Thomsen
Foto: Carlos Kella

Aus Street Magazine 01-2018