Helges Benzinkolumne – Ferien auf dem Ponyhof
Was machen die coolen Jungs kurz vor der Pubertät in den Sommerferien? Sie hängen mit den großen Jungs in deren Schrauberhalle ab, trinken ihr erstes Bier, hören Punk Rock und fummeln ihr Kettcar mit ausrangierten Zündapp Motoren zum ersten eigenen Hot Rod um.
Und die Uncoolen? Die werden von ihren pseudo-akademischen Erziehungsberechtigten zu pädagogisch wertvollen Ferien auf dem Ponyhof verdonnert. Da lernt man was fürs Leben. Verantwortung, sozialen Umgang und so. Stall ausmisten, Gaul füttern, und zur Belohnung gibt’s einen Ausritt auf dem widerspenstigen Zossen. Solch abenteuerliche Erfahrungen in der Kindheit sind nun mal prägend, wie sonst ist es zu erklären, dass sich die unfreiwilligen Stallburschen zwei Jahrzehnte später immer noch für Ponys begeistern? Immerhin haben die mittlerweile pickelfreien Hobby-Cowboys kapiert, dass man sich mit einer einzigen Pferdestärke bei den Mädchen mehr Spott als Respekt einfährt, und so wird ein ur-amerikanisches Vehikel zum neuen Objekt der Begierde: Der Ford Mustang. Dieser verchromte Mittelklasse-Sportwagen mit einem Wildpferd im Kühlergrill und Hunderten unter der Haube wird Mitte der 1960er Jahre zum Verkaufsschlager und begründet die Klasse der sogenannten Pony Cars. Endlich geschlechtsreif und im Besitz einer amtlich anerkannten Fahrerlaubnis, wollen die Uncoolen von früher jetzt ihren damals verwehrten Respekt einfahren. Die von den Eltern im Kindesalter aufgezwungene Stallerfahrung wird sich jetztendlich bezahlt machen. Blöd nur, dass die mittlerweile im Rentenalter angekommenen Erzeuger für eine solch überzüchtete Rasse von Wildpferden weder Verständnis noch Bargeld locker machen wollen. Dann wird der Gaul eben finanziert, ist doch eine sichere Wertanlage. Wird ja auch in jedem Männer- und Drivestyle-Magazin progagiert, dass ein echter Kerl eben einen Mustang fahren muß, um ein echter Kerl zu sein. Unerklärlich, warum ausgerechnet das bravste Fahrzeug des American Way of Life zur Stil- und Coolness-Ikone erhoben wird. Wahrscheinlich trägt Mister Cool himself, Steve McQueen, die Schuld. Mann, warum musstest du ausgerechnet mit einem wild gewordenen Pferd auf Verfolgungsjagd gehen, statt mit einem brutalen Ford Thunderbolt, einem schnittigen Pontiac GTO oder einem pfeilschnellen Hemi-Cuda?
Unerklärlich, warum ausgerechnet das bravste Fahrzeug des American Way of Life zur Stil- und Coolness-Ikone erhoben wird.
Die coolen Jungs von damals verstehen diesen Zirkus um die niedlichen Pony Cars auch nicht so richtig, haben sie doch ihre Kettcars längst gegen größere Modelle aus Detroit eingetauscht, Mit ihren mattschwarzen Hot Rods brettern sie zügellos über die Straßen, während ihre Ex-Klassenkameraden im Stall den Verkaufslack ihrer gezähmten Mustangs striegeln oder zu Wilson Picketts „Mustang Sally“ aus dem originalen 8-Spur Kassettendeck einen sommerlichen Ausritt wagen. Eins muss man den Pferdeflüsterern mit ihrer präpubertärer Ponyhof-Erfahrung aber eingestehen: Sie kümmern sich liebevoll um ihre vierrädrigen Freunde. Beheizte und trockene Ställe garantieren eine artgerechte Haltung und sichern das Überleben der Rasse. Und darauf kommt es in der langweiligen und geklonten Herde von Allerwelts-Fahrzeugen schließlich an.